Yoga ist eine jahrtausende alte Tradition. So viel steht fest, oder!?

Ich selbst war stets der Meinung, die Anfänge des Yoga lägen an die 5000 Jahre zurück.
Dementsprechend war ich auch immer wieder irritiert, wenn ich las, oder einen Lehrer sagen hörte, Yoga wäre 2500 Jahre alt. Also „lediglich“ halb so alt!?!?
Komplette Konfusion entstand, als ich bei Recherchen dann noch auf die Zahlen 3000 oder auch 2000 stieß.

Ich kam – um es mal in den Worten von Carrie Bradshaw auszudrücken – ’nicht umhin mich zu fragen‘: Wie alt war Yoga nun wirklich? Welcher Quelle sollte ich glauben? Wer hatte „Recht“? Und was war zuerst da – die Henne oder das Ei???

Als Vollblut- und Vollzeit Yogini beschloss ich schließlich, dass meine Abschlussarbeit für die Uni die perfekte Gelegenheit wäre, diese Frage nun endgültig zu klären.

Die Frage nach dem Alter von Yoga war dabei natürlich nur eine von mehreren, die ich in meiner Arbeit behandelte, nichtsdestotrotz, möchte ich im Folgenden eine kurze Zusammenfassung darüber mit Euch teilen.

Die Geschichte des Yoga

Grob eingeteilt werden kann Yoga in die Epochen des vorklassischen und klassischen, sowie des post-klassischen und des modernen Yoga.

Als die Periode des vorklassischen Yoga wird dabei die Zeit von den ersten Hinweisen auf ein Yoga-System, bis etwa ins 2. Jhd. n. Chr. bezeichnet.

Etwa auf diese Zeit (2. Jhd. n. Chr.), wird die Entstehung von Patanjali’s „Yogasutra“ datiert und mit ihm, die Phase des klassischen Yoga eingeleitet.

Um das 14. Jhd. n Chr., mit der Hatha Yoga Pradipika (einer weiteren wichtigen Schrift), wird dann die Periode des post-klassischen Yoga eingeläutet.

Mit Ende des 19. Jhd. schließlich, der Zeit, ab der Yoga seinen Siegeszug im Westen antrat, beginnt die Ära des modernen Yoga.

Vorklassisches Yoga

Mehr oder weniger klar ist also, wann die Zeit des vorklassischen Yoga endet: Mit der Verschriftlichung der Yoga Sutras.

Doch wann diese Phase ihren Anfang nahm, ist eben nicht ganz eindeutig geklärt, und lässt einigen Raum für Interpretationen.

Bei meiner Recherche kam ich zu dem Schluss, dass hinlänglich wohl vor allem zwei verschiedene Artefakte (bzw. deren Datierung oder Auslegung deren Hintergründe) für die Argumentation rund um die Geburtsstunde von Yoga angenommen werden.

Dies ist einerseits das Pashupati Siegel (auch bekannt als Mohenjo-Daro Siegel 420), andererseits die Upanishaden, die bis heute wichtigsten der uralten Schriften Indiens.

Pashupati Siegel

Das Pashupati Siegel wurde Anfang des 20. Jahrhunderts bei Ausgrabungen im heutigen Pakistan entdeckt, und auf das 3. Jahrtausend v. Chr. datiert.

Auf dem Siegel ist eine Figur, in einer außergewöhnlichen Sitzposition abgebildet, von der einige ForscherInnen annehmen, dass es eine frühe Darstellung von Shiva (in einer Yoga-Position) ist, und daraus rückschließen, dass damals schon Yoga praktiziert wurde.
Wenn das wahr ist, wäre Yoga etwa 5000 Jahre alt.

Diese Annahme wird allerdings durchwegs kontrovers diskutiert, und so kommen andere ForscherInnen zu dem Schluss, dass archäologische Funde nur wenig bis gar nichts über die religiösen Praktiken früher Völker aussagen, und das Siegel somit nicht als Beweis für eine Protoform von Yoga angenommen werden kann.

In Indien hat dieses Siegel dennoch einen hohen Stellenwert, und wird dort de facto als die erste bildliche Darstellung einer Asana angenommen.

Die Upanishaden

Die Upanishaden sind eine Sammlung von uralten Schriften, von denen angenommen wird, dass sie zwischen 800 und 200 v. Chr. entstanden sind.

„Upanisad“ bedeutet im übertragenen Sinn so viel wie „sich zu Füßen eines Lehrers setzen“.

In den Upanishaden finden sich die ersten schriftlichen Hinweise auf Yoga. So wird das Wort „Yoga“ erstmals um 300 v. Chr. erwähnt, und als Weg, Freude und Leid, sowie den Tod selbst zu überwinden beschrieben.
Nimmt man also diesen ersten schriftlichen Hinweis als Beweis für ein Yoga System an, wäre Yoga tatsächlich etwa 2500 Jahre alt.

Doch natürlich sind sich auch hier nicht alle Quellen einig.

Georg Feuerstein, ein deutscher Indologe, führt bspw. in seinem Buch „Die Yoga Tradition. Geschichte, Literatur, Philosophie & Praxis“ aus, dass die Upanishaden tatsächlich auch schon um 1000 v. Chr. verfasst worden sein könnten.
Dies wiederum wäre eine Erklärung für die Annahme, Yoga wäre eine 3000 Jahre alte Tradition.

… aber … von was für einem „Yoga“ reden wir eigentlich?

Ein weiterer Punkt, den man Bedenken kann, wenn es um die Argumentation um die Geburtsstunde des Yogas geht: WAS ist eigentlich gemeint, wenn wir von „Yoga“ reden?
Das was wir heutzutage praktizieren?

Denn diese Praxis hat weder mit dem Pashupati Siegel, noch mit dem, was in den Upanishaden beschrieben steht, viel gemein. In beiden Fällen ist nämlich die einzige dargestellte bzw. erläuterte Position, ein aufrechter Sitz.

Während über die Hintergründe für diese Sitzhaltung auf dem Pashupati Siegel nur gemutmaßt werden kann, wird diese in den Upanishaden schlicht und unmissverständlich als Ausgangsposition für die Meditation beschrieben.

Wenn wir heute von Yoga reden, dann meinen wir meistens (vereinfacht ausgedrückt) das Praktizieren verschiedener Haltungen im Einklang mit unserem Atem.

Hingegen kann der Begriff „Yoga“, wie er in den Upanishaden erwähnt wird, allerdings noch am ehesten mit „Disziplin“ übersetzt werden. Von der Ausübung unterschiedlicher Asanas ist dort keine Rede…
Vielmehr ist das Wort, das „Asana“ noch am nächsten kommt „asundi“, was wiederum einen Block bezeichnet, auf dem man sitzt, um zu meditieren.

Es gibt also im vorklassischen Yoga keinerlei Anzeichen für eine körperbezogene Praxis jedweder Art.
Es gilt zwar den Körper gesund und rein zu halten, aber die eigentliche yogische Praxis ist eine spirituelle, der sich – genau wie dem Lehrer – ganz und gar verschrieben wird.
Das Ziel ist, einen Zustand der inneren Stabilität zu erreichen bzw. in einem weiteren Schritt, die Realisierung des transzendenten, aus allen Fesseln befreienden Selbst; oder mit einem anderen Wort ausgedrückt: die Erleuchtung.

Zwischen unserem zeitgenössischen Yoga und dem vorklassischen Yoga scheinen also fast ganze Welten zu liegen… oder sind es einfach nur Jahrtausende?
Hmmmm…. Ist es dann überhaupt sinn- oder zweckmäßig eine Antwort auf die Frage wie alt Yoga ist zu finden, ohne den entsprechenden Begriff „Yoga“ genauer zu definieren?

Fazit

Auch im Zuge meiner Abschlussarbeit konnte ich keine eindeutige Antwort auf diese Frage finden.

Fakt ist, die Wurzeln liegen sehr weit zurück. Wie weit tatsächlich ist jedoch unklar und dementsprechend von Quelle zu Quelle unterschiedlich angegeben, sowie Sache von Interpretation und persönlicher Ansicht.

Fakt ist allerdings auch, dass die Art zu praktizieren und der Grund für eine solche Praxis ursprünglich nicht viel mit dem zu tun hatte, was wir heute allgemein unter Yoga verstehen.
Sind wir auf der Suche nach dem Ursprung dieser zeitgenössischen Praxis, ist Yoga höchstens etwa 800 Jahre alt. Dann wäre nämlich die Hatha Yoga Pradipika (ca. 14 Jhd. n. Chr.) die erste Schrift auf die wir uns berufen könnten, da sie auch die erste ist, in der tatsächlich verschiedene Asanas beschrieben wurden.

Fakt ist weiters, ich konnte keinerlei Erklärung dafür finden, weshalb Yoga eine 2000 Jahre alte Tradition sein sollte.

Und ein letzter Fakt: Nachdem scheinbar nicht restlos geklärt werden kann, wie alt Yoga ist, können wir diesbezüglich getrost Kategorisierungen wie „wahr“ oder „falsch“ vergessen, und stattdessen einfach unterschiedliche Meinungen akzeptieren, in dem Bewusstsein, dass die tatsächliche Wahrheit wohl sowieso irgendwo dazwischen liegt, und am Ende des Tages reine Interpretation ist. :-)

Alles Liebe

Eure Alex