Eine meiner liebsten Yoga Positionen ist sicherlich Hanumanasana – der Spagat. Ich bin (fast) schon berühmt (berüchtigt) dafür, immer irgendwo nen Standing Split – also eine Variante von Hanumanasana – in meinen Klassen einzubauen. Und genau da mag ich Hanumanasana (in all seinen Formen und Ausprägungen) auch am liebsten. In meinen Klassen, wenn ich unterrichte, ich die Position also nicht mitmachen muss. :-P

Aber lasst uns Hanumanasana – die klassische Variante, also ein Bein vorne, eines hinten und die Hüfte tiiiiiief abgesenkt – doch mal rundherum genauer betrachten…

Woher der Name kommt

Benannt ist die Position nach dem indischen Gott Hanuman, der auch als Affengott bekannt ist. Er ist der Sohn des Windes und gilt als der größte Verehrer von Rama und Sita. Und genau diese liebevolle Hingabe zu Rama und Sita, die ihm einerseits die Fähigkeit zur Demut, und andererseits unübertroffene Kraft verleiht, bildet den Rahmen der Geschichte….

Sita, Ramas Gemahlin, wird eines Tages von dem Dämon Ravana entführt und Hanuman, als Ramas Heeresführer, erhält die schwere Aufgabe, Sita zu finden und zu befreien. Hanumans Loyalität und bedingungslose Liebe zu Rama helfen ihm dabei, zahlreiche Hindernisse auf der Suche nach Sita zu überwinden, bis sich ihm schließlich offenbart, wo Sita versteckt ist. Ravana hat sie nach Sri Lanka verschleppt.
Hanuman nimmt all seinen Mut zusammen, denn um dorthin zu kommen gilt es einen gewaltigen Sprung zu meistern, nämlich von Indien nach Sri Lanka.
Ein Bein noch in Indien, das andere bereits auf Sri Lanka, streckt er sich so – im Spagat – über das Meer und befreit schließlich Sita.

Was wir aus der Geschichte für die Praxis lernen können

Ein wesentliches Thema in der Geschichte ist die Liebe. Da hätten wir einerseits die Liebe zwischen Sita und Rama und andererseits natürlich Hanumans bedingungslose Liebe zu den beiden.

Und Liebe ist es auch, mit der wir unseren Körper behandeln sollten, wenn wir versuchen uns in diese Position zu begeben.

Detail am Rande: Gezerrte Hamstrings sind eine der häufigsten Verletzungen im Yoga.

 

Weiters geht es um Hingabe und Geduld. Hanumans Hingabe und Geduld bei der Suche nach Sita, stellen wohl eine der Quintessenzen der Geschichte dar.

Um diese, nach ihm benannte Position irgendwann mal meistern zu können, brauchen wir ebenfalls Hingabe… und viiiel Geduld… Für die meisten von uns ist es ein langer Weg dorthin.

Detail wirklich nur am Rande: Sehr ambitionierte Yogis raten sogar jegliche Sportarten bzw. Aktivitäten, die die Hamstrings oder Hüftbeuger kräftigen (so zB. Radfahren, Laufen, Gehen etc) zu unterlassen, um größtmögliche Flexibilität zu erlangen. Das ist vielleicht dann etwas zu viel Hingabe :-/

 

Ramas Vertrauen in Hanuman ist ebenso ein wichtiger Bestandteil der Geschichte. Vertrauen ist die Abwesenheit von Zweifel. Und Zweifel können wir in der Yoga-Praxis generell nicht brauchen.

Vertrauen hingegen kann unterstützen. Hier spreche ich von dem Vertrauen darauf, dass uns eine achtsame Yoga-Praxis auch in Positionen wie Hanumanasana zunehmend mehr Leichtigkeit finden lässt, aber vor allem meine ich, ein Vertrauen in uns selbst, dass wir die Grenzen des eigenen Körpers stets respektieren!

Detail am Rande: Zweifel sind allerdings auch nicht ganz unnütz. Schließlich helfen sie Bekanntes in Frage zu stellen, evtl. neue Wege zu gehen, aktiv zu werden und sich weiterzuentwickeln.

Hanumanasana anatomisch betrachtet

Muskulär werden in dieser Haltung primär und meist auch am spürbarsten die Hamstrings und die Hüftbeuger gedehnt. Doch darüber hinaus bekommen auch die Gesäßmuskeln, Adduktoren, Außenrotatoren, sowie der Quadrizeps einen guten Stretch.

Wird die Position mit aufrechtem Oberkörper ausgeführt werden die Rückenstrecker gekräftigt. Je nachdem welches Bein gerade vorne ist, werden der Gluteus Maximus, Quadrizeps sowie die Hüftbeuger auch gekräftigt.

Das bedeutet, dass Hanumanasana uns nicht nur Eigenschaften wie Geduld, Achtsamkeit, Hingabe und Vertrauen lehrt, sondern überdies auch einen wunderbaren Effekt auf den gesamten Hüftbereich, den Oberkörper sowie die Beinmuskulatur hat.

Wichtige Punkte, die durchaus dafür sprechen, sich mit der Position zu spielen.

Noch ein Detail am Rande

Was im Yoga leider viel zu oft ignoriert wird ist, dass wir alle unterschiedlich sind.

Jedes Becken ist anders geformt, jedes Hüftgelenkt anders aufgebaut. Das heißt, dass bestimmte Ausrichtungsprinzipien wie bspw. „das Becken in Hanumanasana gerade nach vorne auszurichten“ für viele wahrscheinlich aus rein anatomischen Gründen einfach NICHT MACHBAR sind. Weshalb ich an dieser Stelle auch auf solche Richtlinien verzichte.

Ich bin überzeugt davon, dass es wenig Sinn macht sich strikt an derartige Ausrichtungsprinzipien zu klammern. Sie geben eine Richtung vor, und das ist gut, aber primär sollte es gelten ein Gefühl für den eigenen Körper und seine Möglichkeiten zu entwickeln… also die Position (sei es Hanumanasana oder jedwede andere) dem Körper anzupassen – und nicht umgekehrt!!!

Abschließend noch ein kleiner Hinweis 

Es gibt soooo viele Yoga-Props… 😉

Decken, Pölster und Blöcke sind des Yogis beste Freunde und sie zu verwenden, erleichtert es einem meist ungemein in einer Haltung wie Hanumanasana zumindest für einige Atemzüge zu verharren, nachzugeben, sich loszulösen von jeder äußeren Form und stattdessen die Position von innen wahrzunehmen.

Am Ende des Tages spielt es nämlich keine Rolle wie tief wir in Hanumanasana sinken können. Dadurch wird niemand von uns zu einem besseren Menschen oder Yogi… in einer Haltung wie Hanumanasana ist eindeutig der Weg (und was wir auf diesem über uns lernen können) das Ziel!

Alles Liebe

Eure Alex